Was sind die Herausforderungen nach einem Entzug?

Die Zeit unmittelbar nach einem Entzug ist durch die körperlichen Anpassungsstörungen und die veränderte Erlebniswelt geprägt. Diese sind vor allem im Zusammenhang mit der Substanz, der Dosierung und Dauer der Einnahme sowie dem Lebensalter sehr unterschiedlich.

Zu den möglichen Anpassungsstörungen gehören im Wesentlichen die noch mangelnde Belastbarkeit, schnelle Ermüdung, wenig Appetit. Auch ein gestörter Schlafrhythmus, der sich durch jahrelangen Konsum von Opiaten ergeben kann, braucht besondere Aufmerksamkeit, da das «nicht schlafen können» zermürbt und ein erhebliches Risiko für einen Rückfall darstellt. Zumeist genügen glücklicherweise jedoch einfache Massnahmen zur Schlafhygiene oder Medikamente, die u.a. das nervige «Restless-Legs-Syndrom» (zappelige Beine) beheben, die das Einschlafen verhindern.

Nach der eigentlichen Entzugsbehandlung ist es wichtig, nicht sofort in die alte Umgebung zurückzukehren, weil:

  • Viele Sucht-Trigger an den Ort gebunden sind
    Da wo Opiate konsumiert wurde, ist die Rückfallgefahr am grössten, da es unzählige Auslöser von Suchtimpulsen geben kann.
  • Belastungen und (häufig) aufgestaute Probleme warten
    Am Wohnort ist die Konfrontation mit der Vergangenheit allgegenwärtig. Die schwierigen Erfahrungen der Angehörigen in der Vergangenheit, die hohen Erwartungen, dass nach dem Entzug nun alles gut ist, der Stapel Rechnungen und die Mahnbescheide in der Ecke.
  • Wenig Freiraum für Erholung und Anpassung an die neuen Verhältnisse besteht
    Es hat sich bewährt, nach der Entzugsbehandlung in Urlaub zu fahren, am besten mit einer Bezugsperson, an einen Ort, der es ermöglicht, sich (ähnlich wie nach einer Grippe) stressfrei zu erholen und Vertrauen in die langsam zurückkehrenden Kräfte zu gewinnen. Die positiven Emotionen, z.B. wieder ergriffen zu werden von Musik, und die Lebensfreude zu entdecken sind in einer Umgebung, die nicht zu viel fordert, eher möglich.

Emotionale Veränderungen

Opiate haben durch die betäubende Wirkung die Tendenz, die Seele «einzufrieren». Durch die (Teil-) Blockade der Emotionen wird während der Abhängigkeit die seelische Entwicklung behindert. Aussenstehende beobachten den Entzug deshalb häufig wie die Geburt eines neuen Wesens. Die Menschen verändern sich nicht nur innerlich, sondern auch äusserlich, häufig wirken sie um Jahre jünger.

Nach einem Entzug lässt sich zudem oft beobachten, dass die Betroffenen zu Reaktionen (im Guten wie im Schlechten) neigen, die eher ungewohnt sind. Sich dessen bewusst zu sein ist oft wichtig für Angehörige, damit die Beteiligten nicht überfordert sind. Da Sucht häufig mit einer Anpassungsleistung einhergeht und Süchtige Konflikte dadurch vermeiden, ist die frisch erwachte Wahrnehmung und Durchsetzung der eigenen Bedürfnisse ein wiederkehrendes Thema.

Nach der Überwindung der Abhängigkeit ist nicht einfach alles gut und wie früher, sondern es ist ein weiterer Schritt zu Rückeroberung eines Lebens, das nicht «Selbstregulation direkt im Gehirn» bedeutet, sondern auch sein Gleichgewicht wieder durch Gestaltung der Wirklichkeit erarbeiten muss.

Durch eine gesunde Lebensweise werden die Selbstheilungskräfte des Körpers die Leistungsfähigkeit jeden Tag ein weiteres Stück wieder herstellen. Die dazu nötige Geduld und das nötige Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten begünstigen diesen Prozess.


Unser Angebot zur Nachsorge umfasst folgendes:

  • Organisation der medikamentösen Abstinenzhilfe
    Die regelmässige Einnahme eines «Opiatblockers» (Naltrexon HCL) verhindert, dass Morphin und andere Opiate ihre Wirkung entfalten können. Solange dieses Medikament eingenommen wird, kann keine erneute Abhängigkeit von Opiaten entstehen. Dieser Schutz ermöglicht es ihnen ihr «neues Leben» kennenzulernen, sich darin zurechtzufinden und es schliesslich so gut es geht, nach ihren Bedürfnissen zu gestalten. Auch weiterführende therapeutische Massnahmen können im vertrauten Umfeld stattfinden. Bei genügender Stabilität kann auf die Einnahme nach und nach verzichtet werden.
    Die Kosten des Medikaments werden separat verrechnet.
  • Psychologische Beratung
    Wir beraten und begleiten Sie bei Bedarf zu allen Fragen des Umfeldes, der Partnerschaft, Erziehung, Beruf, Behörden etc. (Patienten aus dem Ausland Telefonisch oder per Videokonferenz).

Unsere Empfehlung langfristig:

  • Bewältigung der Suchtimpulse, Behandlung allfälliger Grundstörungen wie Ängste, Depressionen etc., Coaching im Rahmen einer verhaltensorientierten, psychotherapeutischen Begleitung.

Was tun bei einem Rückfall?

Auch Rückfälle können Teil der Überwindung einer Opiatabhängigkeit sein. Wer sich auf dem Weg befindet und stolpert, der kann mit der richtigen Analyse des Geschehens und entsprechenden Verhaltensänderungen die für ihn offenbar noch notwendigen Erfahrungen machen. Anstelle von schamhaftem Verschweigen werden unsere Patienten ermuntert, ihre Probleme mit Sucht offen zu besprechen. Dieser Lernprozess ist oft auch wichtig für das Umfeld, welches aufgrund der schwierigen Erfahrungen mit Unverständnis, Angst oder Verurteilung reagieren kann.

Dabei ist es für die Behandlung der Sucht enorm wichtig, nach einem Rückfall die Opiatzufuhr sofort wieder zu unterbrechen, um nicht wieder erneut tief in «alte» Suchtmuster zu verfallen. Ein eigentliches «Rückfallmanagement» ist Bestandteil des ESCAPE-Behandlungspfades, damit tritt an die Stelle der Angst vor erneutem Versagen ein konkretes Konzept der Bewältigung.